Jupiter Apple
Rese?a "Uma tarde na fruteira"
Jupiter Apple - Uma Tarde Na Fruteira [Elefant / Rough Trade]
Es ist ein schmaler Grad: Mal ist eine Platte vollgestopft mit unterschiedlichsten Elementen und wird überambitioniert genannt, dann wieder ist sie reich und es gibt auf ihr viel zu entdecken. „Uma Tarde…“ des Brasilianers Jupiter Apple ist so eine Platte, und sie macht die Verwirrung so groß, dass man sich kaum entscheiden mag, ob auf ihr mehr positives oder negatives regiert. Klar ist nur, dass das Album ein Mammutwerk eines Enthusiasten und Liebhabers ist, das Werk eines Künstlers, der selbst viel aufnimmt und genießt und nur selten einem Stil gar nichts abgewinnen kann.
Grundlegend für die Musik Jupiter Apples ist sicherlich die Musik seiner Heimat, vorzugsweise die alter Nationalhelden wie Caetano Veloso, Joao Gilberto oder Sergio Mendes, Samba oder Bossa Nova also. Das, was Musiker wie Arto Lindsay für die Welt europäischer und nordamerikanischer Intellektueller abstrahierten, führt Jupiter Apple hier in einer emotionaleren Form vor, die aber durchsetzt ist mit vielen anderen Musiken völlig unterschiedlicher Epochen und Herkünfte. Immer wieder, am deutlichsten aber wohl in „Menina Super Brasil“, führt der Weg zum Psychedelik-Pop der britischen 1990er, zu den High Llamas und Stereolab. Auch die ließen sich schon von Sixties-Pop à la Burt Bacharach prägen, und dieser Einfluss findet sich ebenfalls auf „Uma Tarde…“ wieder, beispielsweise in „Collectors Inside Collection“. Der Overkill an Sounds und Instrumenten auf dieser Platte lässt sich kaum auseinander genommen darstellen, dafür passiert hier einfach Sekunde für Sekunde zu viel. Ein reduzierter Folksong, der ironischerweise „Little Raver“ heißt, setzt sich wohltuend dazwischen, verschafft kurzzeitig Erholung, steigert die Konfusion letztendlich aber noch. Die Aspekte, die im Easy Listening eigentlich für bruchloses Hörvergnügen sorgen sollten, werden hier übersteigert und komprimiert, überall wallen alte Orgeln, so dass die Platte tatsächlich äußerst anregend wirkt, beiläufiges Hören aber anstandslos verbietet. Dieser Erkenntnis stehen dann aber wieder warme und unberührte Beach Boys-Melodien entgegen, die deutlich sind, sich aber aufgrund des umfangreiches Klanggewandes und der vielen unvermittelten Brüche nur selten eingängig genießen lassen.
Jupiter Apple scheint auf seiner Platte bekannte Atmosphären im Schnelldurchlauf antesten zu wollen, um sie dann auf postmoderne Brechung, Übersteigerung, Dekonstruktion oder Verquickung zu überprüfen. Das gelingt als Experiment durchaus, es stellt Musik, die eher mit Easy Listening als mit Abstraktion in Verbindung gebracht wird, in einen ziemlich unerhörten Kontext. „Uma Tarde…“ ist ein musikalischer Overkill, der aber so anregend wirkt wie im zeitgenössischen Rahmen wenig anderes. Eine Wertung darüber, ob das nun gut oder schlecht ist, ist hier eigentlich kaum möglich.
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Datum: 10.04.2008, 14:29 Uhr
Jupiter Apple [Nillson]
foto: Archivo Elefant