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22/04/2008

Articulo "Uma tarde na fruteira"



Nichts geht über ein Schläfchen
Unnachahmlich entspannt: die Bossa-Nova-Aktualisierung von Jupiter Apple
Christian Buss

Südlich des Äquators ist die Luft feucht und angedickt mit süßlicher Melodie. Die Querflöte jauchzt sanft wie ein exotischer Vogel vor der Paarung, der Bass blubbert wie ein mild befeuerter Haschischbong in der untergehenden Sonne. In Brasilien herrscht permanent tropischer Urlaub - so zumindest singen Jupiter Apple auf ihrem neuen Album "Uma tarde na fruteira", ein gleichermaßen ironisches wie psychedelisches Meisterwerk, das noch einmal aufs Wunderbarste die lässige Überlegenheit brasilianischer Popmusik vergegenwärtigt.

Einer der schönsten Songs auf der CD trägt eben den Titel "Tropical Permanent Holidays" und reflektiert die Wechselwirkung zwischen dem aufgeregt am Distinktionsgewinn werkelnden Europa und dem entspannt kulturelle Höchstleistungen ertänzelnden Brasilien: Berlin, so heißt es sinngemäß, hat seinen Untergrund, und London ist sowieso das Zentrum des internationalen Popbetriebs - aber nichts geht über ein inspirierendes Schläfchen an der Copacabana.

So kann natürlich nur jemand singen, der weiß, dass er eine Kunstform zu bieten hat, die sie im guten alten Europa auch mithilfe eines ausgefuchsten Techniktransfers nicht kopiert bekommen. Die tropische Popmusik, die das Kollektiv um den Filmemacher und Allroundkünstler Flavio Basso präsentiert, ist dabei nicht bahnbrechend neu, sie wird nur bahnbrechend abgeklärt präsentiert. Es geht um einen Musikstil, der zu seiner Entstehungszeit vor 40 Jahren außerhalb Brasiliens kaum beachtet wurde, aber heute im Rest der Welt umso mehr archiviert, bewundert und auch nachgeahmt wird.

Es geht um die Musik der Tropicalismo-Bewegung, die Ende der Sechziger von Künstlern wie Tom Zé, Caetano Veloso oder Gal Costa entwickelt wurde und bei der man traditionelle brasilianische und portugiesische Stile mit den damals aktuellen Pop-Entwicklungen abglich. Während sich die Blumenkinder in den USA oder Europa zum Hippierock jener Ära der Entgrenzung hingaben, schraubten ihre Zeitgenossen in Brasilien nämlich schon an dem ersten postmodernen Entwurf der Popmusik. Man kombinierte Bossa Nova mit psychedelischem Rock, man vermischte Samba und frühe Elektronik.

Mit "Uma tarde na fruteira" legen Jupiter Apple, die in Brasilien selbst schon etliche Folkrockalben veröffentlicht haben, nun ein perfektes Update dieses tropischen Retrofuturismus vor. Schwül hallen die Tremolo-Gitarren, geschmeidig räkeln sich die Frauenchöre Richtung Himmel, salopp tänzelt man im Bossa-Rhythmus über den heißen Sand des Strandes. Dazu gibt es Beach-Boys-Harmonien und Beatles-Refrains, Santana-Licks und Stereolab-Riffs. Und über all dem liegt der kunstvoll gedrosselte, nasale Gesang von Flavio Basso, der ein wenig so klingt wie der Bossa-Crooner Luiz Bonfa, wenn man eine von dessen Singles auf 33 statt 45 Umdrehungen abspielen würde.

Diese stilvollendete Tropicalismo-Aktualisierung wird vom europäischen Label Elefant Records, bei dem inzwischen auch die Retrofuturisten Stereolab veröffentlichen, auch noch in perfektem Design präsentiert: Das Artwork zitiert in strengem Schwarz-Weiß-Rot die Tonträgergestaltung des in den Sechzigern wegweisenden brasilianischen Labels Elenco: Ein Typ in strandtauglichem Ringelshirt jongliert darauf mit schwarz-weißen Südfrüchten und einem knallroten Apfel. Eine feine Optik für ein Werk, auf dem mit geballter Ironie und ungedrosselten Glücksgefühlen über Sonnenbäder und Drogenmissbrauch gesungen wird.

Jupiter Apple: Uma tarde na fruteira (Elefant/Rough Trade)





Jupiter Apple [Berliner Zeitung]
foto: Archivo Elefant

 


 

 

 

 

 

 

 

 

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