Gig-Blog [Gr]: FITNESS FOREVER, 17.02.2018, Base, Mailand
Die Wette mit mir myself personally läuft. Mindestens einmal im Jahr muss ein Fitness Forever Konzert sein, bis einer von uns beiden zuerst ins Gras beißt, den Löffel abgibt, evtl. sogar den Weg allen Fleisches geht, besser noch, gegangen sein wird. Futur 2 in einem Blog, das wird noch Wellen schlagen. Diesmal also in Mailand, geschäftige Modestadt ohne Meeresblick, so ganz anders als Fitness Forevers Heimat Neapel. Kein Vulkan, sauberer als Köln (O-Ton Eric Pfeil) und 40 Flugminuten von Stuttgart aus entfernt.
So wunderbar einzigartig und schön Neapel auch sein mag, in Italien spielt Mailand nicht nur in Sachen Mode und Finanzen die erste Geige, auch der Konzertkalender toppt bei weitem alle anderen italienischen Städte. Deutlicher Hinweis darauf auf “hier passiert’s”. Hier wurde natürlich Fitness Forevers letztes Album “Tonight” abgemischt, und Mastermind Carlos lebt hier auch schon zur Hälfte seiner Zeit. Kultureller fun fact: Samstag nach Aschermittwoch wird in Mailand Karneval gefeiert, weswegen das Konzert auch Teil eines Karnevalsabends ist, welcher mit dem sympathischen, popmusikalischen Wortspiel “MasQuerada” benamst ist.
Das BASE ist ein Veranstaltungsort nicht nur für Konzerte (Thunderbird spielte u.a. letzten Herbst hier), sondern auch für alle anderen möglichen Kulturevents. Sehr stilsicher renoviert, bietet das alte Industriegebäude nicht nur eine große Konzerthalle, sondern auch noch eine große Bar, wo es nicht nur leckere Negronis gibt, sondern auch, typisch norditalienisch, schmackhafte Essenskleinigkeiten, die man zum Aperitiv zu sich nimmt. Langsam füllt sich das BASE mit normalschicken Italienern, sehr schicken Mailandmodemenschen, und verkleideten Karnevalsgästen. Ich hasse zwar Karneval, aber der Kardinal und Wonder Woman sahen schon ok aus.
Kurz vor 23 Uhr geht es dann los, ca. 100 Zuschauer sind da (der Großteil der Gäste kommt erst so gegen ein oder zwei Uhr). Die Bühne ist riesig, Platz genug für die Band, die seit dem letzten Jahr noch um einen Saxofonisten angewachsen ist. Dieser spielt mit Querflötistin Francesca den Klassiker des ersten Albums “Bacharach” an, worauf nach und nach die anderen Bandmitglieder auf die Bühne kommen und in das Stück einsteigen. Seit dem Auftritt im Oktober in Neapel ist die Farbe Weiß das Bühnenoutfit der Band. Sehr schick, aber von einigen Bandmitgliedern kamen beim letzten Mal Zweifel auf, ob man so nicht wie Pizzabäcker aussähe. Zweifel, die auch heute Abend nicht komplett ausgeräumt werden können.
Sängerin Nicoletta trägt heute eine blonde Perücke und ist gut bei Stimme. Da nur wenig Zeit für den Auftritt zur Verfügung steht, gibt es weniger Ansagen als sonst, Fitness Forever spielen hauptsächlich Songs vom neuen Album. Vom abbaesken “Canadian Ranger”, über das groovende “Dance Boy” bis zu ihrem bis dato besten Instrumentalstück “Port Ghalib” gibt es erstmals nur Songs aus diesem Album. Dass die Band mittlerweile ein musikalisch außerordentlich hohes Niveau erlangt hat, war schon im Oktober mit Händen greifbar. Auch heute Abend gibt es keine Wackler, die reichhaltigen Arrangements der Platten werden fast eins zu eins auch live gebracht.
“Cosmos” ist ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit des Vorgängeralbums, passt aber mit seinem Discobeat natürlich in das hauptsächlich auf Tanzbarkeit ausgelegte Set dieses Abends. Mittlerweile wird auch immer klarer, welche der neuen Songs live am besten funktionieren (zumindest in Italien). Da ist das neapolitanisch gesungene “André”. Für gebürtige Mailänder unverständliche Fantasiesprache, aber Musik ist ja kein Buch. Und außerdem gibt es genügend Süditaliener in Mailand, dementsprechend stark wird mitgesungen. Riesenhit also auch hier. In Neapel letzten Oktober sind die Leutchens allerdings schier ausgeflippt.
Schön sind die Visuals, die mit retrodiscoartigem Style die Musik noch passend begleiten. Der nächste Höhepunkt kommt nun mit “Baby Love”. Dazu kommt Maria auf die Bühne, die Dame auf dem Cover von “Tonight”, welche Lebenspartner Carlos als “Showgirl aus dem litauischen TV” ankündigt. Sie hat das Stück auch auf der Platte eingesungen, und obwohl sie laut eigener Aussage nicht singen kann, macht sie das eigentlich viel zu gut, um ihr das glauben zu können. Der Gesang ist perfekt, wie auf Platte, aber ihr Auftritt gibt dem Abend noch einen richtigen Pusch. In einem todschicken wie auffälligen Pucci Jumpsuit gekleidet, liefert sie eine Show mit gekonnten Moves ab, als würde sie seit Jahrzehnten nichts anderes machen. Der todschicke, modeaffine Japaner im beigen Trenchcoat vor mir rastet aus vor Freude. Ein wunderbarer Moment, der auch sehr was von Zoolander hat.
Die Stunde geht viel zu schnell rum, aber das musikalische Highlight kommt ja noch. Der Titelsong “Tonight” ist live eine üble Bombe, die jede Halle abbrennt. Ok, ganz an die Version in Neapel, als Vincent Mougel von Kidsaredead es gesungen hat und man das Gefühl hatte, es wird eine Supernova auf der Bühne gezündet, kann diese Version hier natürlich nicht herankommen. Aber so singen und sich anmutig bewegen wie Vincent können halt nicht viele. Egal, Carlos und Nicoletta machen das vereint sehr prima, und live haben die ragazze e ragazzi den Song mittlerweile perfektioniert, und quetschen alles heraus, was dieser Hit hergibt. “Everybody dance now”, tun tatsächlich alle, auch der mit dem Hühnerkopf rechts von mir.
Zum Abschluss gibt es noch ein kleines Schmankerl. Zum ersten Mal singt Flötistin Francesca einen Song, und zwar ein Cover eines obskuren neapolitanischen Songs namens “Due poveri drogati”. Ein Song, den Carlos öfters bei seinen DJ-Set auflegt, und den er wer weiß wo ausgegraben hat. Begeisternd, und Francesca scheint sich alles andere als unwohl zu fühlen in der Rolle der Sängerin.
Nach nur einer Stunde ist das Konzert schon vorbei. Noch Zeit, um das eigenen Fitness Forever Merch-Portfolio mit dem neuesten Bandshirt zu komplettieren, und dann so langsam den Rückweg anzutreten. Der Zug zurück in die Heimat geht um kurz nach sieben Uhr morgens, das Belle & Sebastian Konzert in Frankfurt will auf gar keinen Fall verpasst werden. Das Leben kann manchmal sehr hart sein.
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