Papa Topo
Gig-Blog [ger]: Crónica Fiesta Elefant Club 003
FITNESS FOREVER, PAPA TOPO, 03.12.2011, Sciroco, Madrid
Fotos: Jonas Whale
“Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien.”
Mit Fitness Forever-Konzerten ist es wie mit Heroin guten Brezeln: geht immer, auch ganz viel davon. Da kann man auch mal der Krise auf den Kopf kacken und per Lufthansa nach Madrid fliegen. Nebenbei kann man auch kontrollieren, ob der Spanier sich gefälligst den Arsch (culo) abspart und nicht etwa doch noch etwas Spaß oder Lebensfreude über hat.
Kurzer Eindruck von Madrid: die Hauptfußgängerzonen sind in der Vorweihnachstzeit genau so schlimm überlaufen wie bei uns, aber die Leute haben kaum Einkaufstaschen, also wohl doch Krise. Weiteres Zeichen: Wir erblicken irgendwann eine Menschenschlange, deren Ende nicht abzusehen ist. Während wir diesen endlosen Lindwurm ablaufen, um zu wissen, wo er hinführt, raten wir schon mal, was der Grund sein könnte. Julio Iglesias Autogrammstunde? Christiano Ronaldo präsentiert nackt ein neues Haargel? Als wir dann nach Ewigkeiten ankommen: Lotto-Annahmestelle.
Der Auftrittsort Siroco befindent sich in einem Viertelchen mit engen Gassen, vielen alternativen Läden und einem Haufen junger Menschen. Gegen 22 Uhr werden wir eingelassen. Im Untergeschoss befindet sich der Auftrittsort, angenehme Größe, seltsamerweise kein Sekt im Angebot, aber positiverweise strikt eingehaltenes Rauchverbot. Wahrscheinlich weiß der uncoole Mediterraneer einfach nicht die Vorzüge einer tagelang nach abgestandenem Aschenbecher schmeckenden Kehle zu schätzen.
Guille Milkyway, der Mann hinter La Casa Azul, dem Aushängeschild von Elefant Records, ist derweil als DJ tätig. Madame P. und ich haben es ja schon geahnt, dass der Mann als DJ bestimmt großartig ist. Wenn man all seine Produktionen oder auch mal ein Mixtape vom ihm gehört hat, bekommt man schon eine Ahnung, dass Guille extrem guten Geschmack, mit Stilsicherheit und profundesten pophistorischen Kenntnissen verbindet. Sein DJ-Set bestätigt das alles. Nur Hits, obwohl man fast nichts kennt, keine Scheuklappen was Genres oder sonstwas angeht. Genau so stell ich mir das perfekte Pop DJ-Set vor, super fantasticos!
Fotos: Jonas Whale
Die erste Band des Abends ist das Duo und Paar Papa Topo. Die Beiden haben mit argen technischen Problemen zu kämpfen, der Sound ist unausgewogen. Dass sie noch nicht allzu oft live gespielt haben, merkt man daran, dass diese Geschichten sie etwas verunsichern, aber sie reagieren mit netten Ansagen, und im Publikum nimmt ihnen das eh keiner übel. Fitness Forever-Mastermind Carlos kommt für ein Stück auf die Bühne und begleitet die Papas an der Gitarre. Und trotz dieses alles andere als perfekten Konzerts, kommen wir etwas überraschend zu dem Schluss: die sind ja super! Und das liegt einfach an den starken Songs, an den guten Ideen, an der schönen Stimme von Paula. Die uns bekannten Oso Panda und Lo Que Me Gusta Del Verano Es Poder Tomar Helado wären vielleicht hervorzuheben, aber eigentlich sind alle Songs stark. Wir warten gespannt auf das erste vollständige Album.
Fotos: Jonas Whale
Pause, noch ein Schwätzchen mit Supersimpaticus Carlos, der sehr tollen Nick Rivers, den Feststellungen, dass man mit 1,80m Körpergröße hier besten Blick auf die Bühne hat, bzw. dass die Mädels “alle wie Sophia Coppola oder Charlotte Gainsbourg” (Madame P.) aussehen, und schon geht es weiter mit einem überraschenden Zwischenprogrammpunkt. Cristina Quesada, ein zierliches Mädel, die aussieht wie eine zu heiß gewaschene Charlotte Roche, kommt samt Ukulele auf die Bühne, und singt vier uns unbekannte Cover, die aber das Publikum wohl bestens kennt. Ukulele finde ich ja im Normalfall so angenehm wie einen Proktologen mit eiskalten Wurstfingern, aber die Songs sind halt so hübsch, sie singt so niedlich, und überhaupt sieht die Ukulele an der kleinen Person wie eine normal proportionierte Gitarre aus, also passt das schon. Arg charmantes Zwischenspiel.
Mittlerweise ist es Mitternacht, und Fitness Forever kommen auf die Bühne. Mit “Probabilmente”, dem Stück mit dem melancholischten Akkordwechsel seit Ewigkeiten am Anfang, geht es los. Der Plan war eigentlich, das komplette, neue Album “Cosmos” das erste Mal live zu präsentieren. Aber die Aufnahmen des noch unveröffentlichten Werks sind leider noch nicht soweit, und die Stücke auch so komplex, dass man lieber nochmal das “alte” Set spielt wie in Stuttgart. Beschweren tun wir uns nicht, wenn die Lieblingsband unsere Lieblingshits spielt. Sara und Nicoletta sehen bezaubernder aus als je zuvor und sind sehr gut bei Stimme, die Band ist tight wie immer. Man merkt einfach, dass Basser Luigi Schlagzeuger Andrea, Gitarrist Ernesto und Keyboarder Antonio Profimusiker sind. Da wackelt nix, und obwohl auch hier der Sound nicht perfekt ist, lässt sich die Band davon nicht beirren. Das Publikum ist begeistert und kann überraschend gut die italienischen Texte mitsingen. Fitness Forevers Musik, der Soundtrack eines utopischen Retro-Italiens, funktioniert auch in Spanien bestens. Bei den zwei spanischprachigen Stücken “Palma De Mallorca” und “Bottellón” dürfen Papa Topo auf die enge Bühne und sie begleiten. Im Gegenzug begleiten Fitness Forever die Beiden bei einem neuen Papa Topo Stück.
Wie in Stuttgart auch wird das fantastische “Gorni Koala” von Giorgio Tuma gespielt, sowie die zwei supertollen neuen Stücke “Il Cane Ciuff” und “Gino Vanelli” (vorläufiger Arbeitstitel). Ansonsten das ganze Hit-Programm mit “Anarchica Pugliese”, “Mondo Fitness”, “Monica”…naja, alle Songs von Fitness Forever eben. Ein Fitness Forever Song ist eben immer ein Hit in meinem Paralleluniversum. Und um im Thema Paralleluniversum zu bleiben. Bei “Bacharach” lasse ich mal meinen Blick nach links schweifen, und sehe in meinen Blickfeld Guille Milkyway, Band A Part, Elefant Records-Chef Luis Calvo und diverse Mitglieder von Cola Jet Set und Nick Rivers mitsingen und mittanzen. Sieht nach Pop-Utopia aus, eine Idee einer besseren Welt. Ganz großartig das alles!
Irgendwann gegen eins ist es vorbei, und Guille Milkyway lässt uns als DJ nochmal wissen, dass wir alles richtig gemacht haben, indem wir hierher gekommen sind, um einen Abend fantastischen Pop zu erleben.