Nick Garrie
Art?culo "49 Arlington Gardens"
Nick Garrie - 49 Arlington Gardens [Elefant / Al!ve]
Vor ein paar Jahren entdeckte die Popmusikwelt Vashti Bunyan wieder, ihre wundervolle Musik und mit ihr ihre filmreife Geschichte, ein Sinnbild für die Reize und Gefahren des Popgeschäfts und darüber, wie es sich in Jahrzehnten doch ein kleines Stück weit verändert hat. Dass Bunyans Geschichte kein Einzelfall war und ist, kann man jetzt am Rande des Releases von „49 Arlington Gardens“ des in Frankreich lebenden Briten Nick Garrie erfahren. Ähnlich wie sie hatte auch Garrie vor vielen Jahren, genau 1969, ein erstes Album veröffentlicht, das aufgrund unglücklicher Umstände, in erster Linie wegen dem Selbstmord des damaligen Labelbosses, unterging. Es hieß „The Nightmare Of J.B. Stasnislas“ und gilt offenbar seit geraumen Jahren als rares Sammlerstück. Der zeitgenössische Misserfolg des Albums entmutigte Garrie und brachte ihn dazu, in den Folgejahrzehnten zwar weiterhin Musik zu machen, allerdings nicht mehr als im Fokus stehender Solokünstler. Erst 2005 erfuhr er von dem Weg, den sein 1969er Album seitdem gemacht hatte, und fasste den Entschluss, es noch mal mit der Popmusik zu probieren.
Das Resultat daraus liegt jetzt vor, und es ist in seiner trendfreien, dafür aber zeitlosen Schönheit ein wahrhaft außergewöhnliches Werk. Genau genommen ist „49 Arlington…“ ein Mosaik aus sehr unterschiedlichen Songs, die an verschiedenen Orten mit einer breiten Palette an Kollaborateuren entstanden und sogar in mehreren verschiedenen Sprachen besungen sind. Was die Songs eint, ist ihre unwiderstehliche Melodiösität im Stile des Folks der 1960er, die in den 1990ern von Bands wie Belle & Sebastian und Teenage Fanclub wieder aufgenommen wurde. Mitglieder von Letzteren waren dementsprechend auch an „49 Arlington…“ beteiligt, und sie verhelfen den Platte zu einer Stimmung, die die übermenschliche Aufgabe meistert, die Stimmung von Leonard Cohen und Simon & Garfunkel in die Gegenwart zu überführen. Das Album wirkt zunächst sicherlich ungewohnt, es braucht etwas, um so eine Atmosphäre von aktueller Musik kommend zu akzeptieren. Wenn man das geschafft hat, wird es dem Hörer aber schnell zu einem besonderen Schmuckstück. Und es ist darüber hinaus kaum zu glauben, dass diese Musik von einem Mittsechziger mit Bauchansatz und grauen Haaren kommen soll. Denn sie verhandelt die Nebenschauplätze von Wärme und Liebe mit einer Zartheit und Gegenwart von frisch Verliebten. Vielleicht ist Nick Garrie eine Art Eric Rohmer der Musik, vielleicht hat er aber auch einfach all seine Inspiration über Jahrzehnte hinweg bewahren können. Er hat mit „When Evening Comes“, „In Every Nook And Cranny“ und „The Clockmaker“ mit seinem wundervollen Kinderchor mindestens drei liebliche Westcoast-Pophits geschaffen, und auch die Platte als ganzes drückt eine naturalistische Sensibilität aus, die lange nicht mehr erreicht wurde. Gerade für die Liebhaber des großgeschriebenen POP sollte „49 Arlington Gardens“ eine Offenbarung sein.
Nick Garrie [Nillson]
foto: Archivo Elefant